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[Frei] Nexus 173: 60 Mio. deutsche Amazon-Nutzer:innen eingeordnet, Wie das neue zwei-stufige Streaming-Lizenzmodell Long Tail zu Gunsten der Majors entwertet, KI-Modell-Verbindungen

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Das wöchentliche Nexus-Briefing von neunetz.com, welches den Kern des Mitgliederangebots bildet, existiert seit beinahe 3 Jahren. Diese aktuelle Ausgabe vom 27.10.23 habe ich nun öffentlich gemacht, da einerseits die Amazon-Zahlen in ihren Dimensionen sehr relevant sind. Zugleich gibt sie einen guten Einblick, was Mitglieder wöchentlich erhalten: Relevante Analysen auf hohem Niveau zu zentralen Themen für Deutschland und Europa.


Hi,

ich bin ehrlich gesagt etwas überrascht, wie viele Nutzer:innen Amazon in Deutschland hat. Das ist ein kleines bisschen mehr, als ich erwartet hatte. Die wesentliche Implikation davon sehe ich gar nicht so stark im Onlinehandel selbst, sondern viel stärker auf der Werbeseite.

Gemessen an der dank des DSA genannten Nutzer:innenzahl muss man festhalten: Amazons Werbearm verkauft sich hierzulande noch weit unter Wert.

Amazing.

Stay safe,
Marcel

Kurzfassung:

  • Dall-E 3 wird über einen Zwischenschritt zu ChatGPT genutzt, die interne Anbindung zwischen den Modellen funktioniert über natürliche Sprache, der System-Prompt ist geleakt
  • Amazon hat über 60 Mio. aktive MAU in Deutschland, nicht Käufer:innen, aber trotzdem: Amazons Plattform hat monatlichen Kontakt zu mehr oder weniger 100% der erwachsenen Bevölkerung in Dtl.
  • Im neuen Entwurf des AI-Act steht eine Disclosure-Pflicht für alle zum Training genutzen Materialen, unpraktisch und eine urheberrechtliche massive Verschärfung
  • Spotify und co. bekommen ein neues zwei-stufiges Streaming-Lizenzmodell, bei dem Direct- und Indie-Artists zu Gunsten großer Artists und Majorlabels abgewertet werden, eine Umverteilung Richtung Majors, weil diese das schlicht dank ihrer Marktmacht verlangen können
  • und mehr

Dall-E 3 und ChatGPT: Interne Prompts und Modellverbindungen

Modellverbindungen oder Modellkaskaden gehören in meinen Augen zu den vielversprechendsten Richtungen bei LLMs, was in den nächsten Monaten und Jahren hier gebaut wird. Dall-E 3, das einen ChatGPT-Zwischenschritt hat, ist das aktuell prominenteste Beispiel.

Entscheidend hier:

  • Medienübergreifend und aufgabenübergreifend können integrierte LLMs Produkte verbessern, auch Text-zu-Bild
  • In diesem Fall ist es ein weiteres Mal der Fall, dass die interne Anbindung über natürliche Sprache, also hart in den Zwischenschritt eingebettete Prompts stattfindet
  • Yep, weird, aber die Zukunft.

Ich hatte das bereits einmal geschrieben. LLMs werden Anbindungen in naher Zukunft sehr viel leichter ermöglichen.

Das wird auch relevant für KI-First-Hardware.

Simon Willison über Dall-E 3 (unbedingt die Bilder anschauen):

Note how the prompts it generates cover four different styles—photo, illustration, watercolor painting and vector image. They also use pleasing and varied language to describe different aspects of the image.

​Er geht auch darauf ein, dass das Seed-Konzept bei Dall-E konkrete Bildelemente reproduzierbar macht. (Im Gegensatz zu bei Midjourney und StableDiffusion, wo der Seed-Wert für ein neues Würfeln der Parameter steht.)

Ars Technica schreibt etwas ausführlicher über den geleakten System-Prompt:

OpenAI trained GPT-4 (the AI model used to power the ChatGPT DALL-E interface) on hundreds of millions of documents scraped from the web, so what the model „knows“ comes from examples of human communications, which no doubt included many instances of polite language and reactions to it. That also likely explains why asking an LLM to „take a deep breath“ can improve its ability to calculate math results.

​Faszinierende Einblicke.


📱💸 Big Tech

Amazons EU-Zahlen (Dank DSA)

Eine der positiven Effekte des DSA ist mehr (erzwungene) Transparenz der großen Tech-Konzerne, heute Amazon (Amazon, via Reuters):

  • 181 Millionen aktive Nutzer:innen in der EU (durchschnittliche MAU)
  • 60,390,505 Mio. durchschnittliche MAU in Deutschland
  • 150.000 Mitarbeiter:innen in der EU

60 Millionen in Deutschland eingeordnet

Laut dem Statistischen Bundesamt leben aktuell 84,5 Millionen Menschen in Deutschland. Wie ordnen wir das ein?

  • 60 Mio. entsprechen natürlich nicht 60 Millionen durchschnittlichen Käufer:innen pro Monat in Deutschland.
  • Amazon hat natürlich weit mehr Besucher:innen als Käufer:innen pro Monat.

Warum weist Amazon Besucher:innen als aktive Nutzer:innen aus?

  • u.a. Werbung
  • Werbung, Suche etc. gilt auch als Nutzung und ist natürlich Marktteilnahme der Amazon-Plattform, auch wenn diese Aktivitäten vor einer eigentlichen Transaktion liegen
  • Ebenso wie ein:e Google-Nutzer:in, die auf keine Werbung klickt/tippt, trotzdem als Nutzer:in zählt.

Transaktion oder nicht:

60 Millionen ist ein Paukenschlag. Amazon erfasst damit nahezu 100% der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland, die mindestens einmal im Monat im Schnitt mit Amazon in Kontakt kommt.

Das erinnert an den Marktanteil von Google in Deutschland: Rund 95% bei mobilen Suchen in Deutschland (Statista), rund 89,7% bei Desktop-Suchen (Statcounter) . Auf Platz 2 folgt Bing mit nur 5%. (Statcounter)

Zum Vergleich: Google liegt in den USA bei 92%, Bing mobil bei 7,7%. (Statista)

Der Unterschied ist nicht groß, aber doch sichtbar vorhanden: Google und Amazon werden zwar in der Öffentlichkeit in Deutschland sehr kritisch begleitet. Das hat aber offenbar keinerlei Einfluss auf ihre Marktanteile und Nutzung in der Bevölkerung.

Eventuell ein Paradoxon, das auf die konservative Grundhaltung des Landes zurückzuführen ist.

In Deutschland benutzt man, was man kennt, Punkt, und ist ‚Experimenten‘ gegenüber eher verhalten. Also „hassen“ wir Google und Amazon, benutzen sie aber trotzdem, weil wir Neues noch mehr hassen.

Ein letzter Vergleich:

  • ​Amazon liegt in Italien bei 38 Mio. MAUs bei Bevölkerung von 58,9 Mio., ebenfalls viel aber prozentual etwas weniger als bei Deutschland
  • Frankreich: 34,7 Mio. MAUs bei Bevölkerung von 67,8 Millionen

Frankreich zeigt deutlich, dass die Marktkonzentration (oder zumindest die Markenreichweite und Plattformnutzung) in europäischen Märkten für Amazon nicht so hoch sein muss wie es in Deutschland und Italien der Fall ist.

Das ist nicht gegeben.

Weitere erwähnenswerte Fakten des Amazon-Reports

Amazon streicht positive Trends in der Missbrauchsbekämpfung heraus:

The number of bad actor attempts to create new selling accounts decreased from 6 million attempts in 2020, to 2.5 million attempts in 2021, to 800,000 attempts in 2022.

Das ist auch ein präventives Argument gegen kommende Untersuchungen und potenzielle Strafzahlungen.

Die Zahlen zeigen aber auch schön das Ausmaß, auf dem Plattformen wie der Amazon-Marktplatz mit Missbrauch zu tun haben.

Dazu passt auch diese Aussage:

Globally, Amazon’s automated technology scans over 8 billion daily attempted changes to product detail pages for signs of potential abuse.

Und:

In the first half of 2023, we took 274MM actions on our own initiative, which include actions taken through the proactive content moderation tools we have built to remove content from our EU store, as well as those related to policy violations or other types of non-illegal content


⚖️ Regulierung

Neuer EU AI Act-Entwurf mit massiver urheberrechtlicher Verschärfung

Der neueste Entwurf des kommenden AI Act hat eine urheberrechtliche Erweiterung erhalten. Er sieht vor, dass AI-Entwickler:innen eine Zusammenfassung aller urheberrechtlich geschützten Materialien für das Training nennen müssen.

Im Falle der großen Foundational Models (GPT, Claude, etc.) läuft das de facto auf das halbe Internet hinaus.

Eine für die EU leider typische regulatorische Eingabe:

  • Getrieben von hiesigen Contentindustrien (Presseverlage, Entertainment)
  • Auf den ersten Blick sinnvoll erscheinend, auf den zweiten Blick eine Verkennung der Dimensionen (man kann das doch einfach nennen vs. das halbe Internet, mit einer völlig unklaren Situation wie a.) Material genannt werden soll (etwa Forenthreads) und b.) einer fast immer uneindeutigen Lizenzsituation)
  • Folge: Anbieter, Unternehmen, Forscher:innen in einem künftig immer wichtiger werdenden Feld werden Steine in den Weg gelegt
  • Urheberrechtlich deutet das auf eine enorme Verschärfung hin

Namentlich geht es bei der Verschärfung darum, dass hier rechtlich reguliert werden soll, was man aus urheberrechtlich geschütztem Material lernen und ableiten darf.

Einfach nur, weil das Lernen und Ableiten dank Machine Learning nun technisch skalierbar ist.

Techdirt fasst es gut zusammen:

As I wrote in a column five years ago, that’s ridiculous, because the right to read is the right to mine. Updated for our AI world, that can be rephrased as “the right to read is the right to train”. By failing to recognize that, the European Parliament has sabotaged its own AI Act. Its amendment to the text will make it far harder for AI companies to thrive in the EU, which will inevitably encourage them to set up shop elsewhere.

If the final text of the AI Act still has this requirement to provide a summary of all copyright material that is used for training, I predict that the EU will become a backwater for AI.

Yup.


🎛 Plattformen

X/Twitters Netzwerkeffekt-Abschwung

Gut sichtbar jetzt bei X/Twitter wie ein Netzwerkabschwung aussieht. Es sieht wie der Anfang einer Abwärtspirale aus, die dank der Prominenz der Plattform an niemanden mit Interesse an der Plattform vorbeigeht.

Reuters:

These „heavy tweeters“ account for less than 10% of monthly overall users but generate 90% of all tweets and half of global revenue. Heavy tweeters have been in „absolute decline“ since the pandemic began, a Twitter researcher wrote in an internal document titled “Where did the Tweeters Go?”

Inhalte:

  • Crypto und NSFW wachsen, mainstreamige Themencommunities wie News, Sport und Entertainment schrumpfen.
  • Prominente wie die Kardashians verlassen die Plattform.

The study also expressed surprise about the decline in interest for e-sports and online streaming personalities, which were previously growing quickly across Twitter. “The big communities are now in decline,” the report said.

Siehe auch Tech-Analyst Benedict Evans über seinen Weggang von Twitter.


🚌 Transportsektor

Stellantis integriert ChatGPT

Stellantis integriert ChatGPT in sein Incar-System als Experiment.

Golem:

Technisch wird dies durch die Integration der Software Soundhound AI powered by ChatGPT API in das DS-Iris-System ermöglicht. Dadurch kann auf die aktuelle Version 3.5 von ChatGPT zugegriffen werden. Eine Konkurrenz zu Systemen von Amazon oder Google gibt es bislang nicht, teilte DS Automobiles mit.

Zunächst wird ChatGPT in einer sechsmonatigen Pilotphase angeboten. Der Service ist dabei für die ersten 20.000 Kunden in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Spanien und Italien kostenlos nutzbar.

Nach der Registrierung auf der Website des jeweiligen Landes erhalten Teilnehmer über ein Over-the-Air-Update Zugang zur KI-Software in ihrer Landessprache. Voraussetzung ist, dass das Fahrzeug mit dem DS-Iris-System und Connected-Navigation ausgestattet ist. Sollte die Testphase erfolgreich verlaufen, könnte ein Rollout in weiteren Märkten und Marken von Stellantis folgen.

Over-the-Air-Update, um den eigenen Kunden Zugang zum Marktführer zu geben.

Ich klinge wie eine kaputte Schallplatte diesbezüglich, aber was ist mit der deutschen Autobranche los, dass sie dazu nicht in der Lage ist?


📺 Medienwandel und vernetzte Öffentlichkeit

Zwei-stufiges Lizenzmodell kommt zu Musikstreaming, gut für Majors (wie immer)

Musik/Medien-Analyst Mark Mulligan ​auf LinkedIn über die Änderung die zu Musikstreaming kommt.

Kontext: Long Tail, der direct geht (also ohne Label oder zumindest ohne Majorlabel), ist in der Musik prozentual stark gewachsen:

Between 2019 and 2022, artists direct streaming revenue grew by 130% while the majors grew by 58%. Long-tail artists are growing their share of ear (even accounting for the fact that algorithms are not neutral agents). In 2022, artists direct accounted for 8% of global streaming revenue and at current trajectory would reach 10% by 2025. Consider that WMG’s share was 16% in 2022, and it becomes clear just how significant the long-tail pool is.

​In Kurzform heißt das:

  • Bisher war jeder Stream mehr oder weniger gleich, was die Abrechnung angeht. (sieht man von den streamunabhängigen Zahlungen der Streaminganbieter an die Majors ab)
  • Künftig werden Streams von kleinen, unabhängigen Künstler:innen herabgestuft auf eine geringere Bezahlung pro Stream. Das betrifft alle, die direct gehen, als Distributoren wie Distrokid et al benutzen, um ihre Musik zu Spotify und co. zu bekommen. (Erste Schätzungen gehen von um 20 bis 50% geringeren Ausschüttungen pro Stream aus.)

Es ist eine Abwertung des Long Tails zu Gunsten der Majors und der großen Artists, die künftig trotz sinkender Marktanteile wieder mehr vom Streaming-Kuchen bekommen werden.

Warum das möglich ist:

  • Die Streamingdienste machen das, weil die Majors es von ihnen verlangen.
  • Auch wenn der Anteil der Hörminuten sinkt, bleiben die Backkataloge der Majors unersetzbar. Kein Streamer kann auf nur einen Backkatalog eines Majors verzichten.
  • Das ist die Macht-Situation bei jeder Verhandlung.

Die Majorlabels nutzen diese Situation erneut, um die Verteilung des Streamingkuchens zu ihrem Gunsten zu verändern.

Mulligan:

The majority of artists direct artists will no longer be paid for their contribution to the value of the $11.99 subscription. The c.10% of consumption they will generate will disappear from the streaming revenue map. They will be othered, their revenue becoming a new black box for the biggest artists to share between themselves. Which means that, hey presto, all that annoying artists direct market share suddenly gets reallocated to everyone else.

​Mulligan mit deutlichen Worten (Hervorhebung von mir):

The two-tier system does not even try to turn back the clock on the rise of independence, it simply funnels the growing revenue from this cultural paradigm shift to the bigger artists who are losing share. If DSP streaming was the only game in town, then the risks of antagonising long-tail artists (label and direct) would be relatively low. But the music consumption and creation landscapes are changing. Non-DSP streaming revenue is outgrowing DSP streaming, while creators choosing to release only on non-DSP platforms is growing twice as fast as artists releasing onto DSPs.

Perhaps it would serve bigger labels and artists well, to have smaller artists and labels focus their attention elsewhere. But if they do so, then they will take audience attention and cultural capital with them. At some stage or another, that kind of shift will start to bite into DSP acquisition and retention rates. By which stage it may be too late to halt the decline.

​Ich sehe die unmittelbaren Auswirkungen nicht so dramatisch, gehe aber auch davon aus, dass diese Prognose 5 bis 10 Jahre in der Zukunft liegt.

Ich halte sie also für zutreffend. Die Majors machen das klassische Streaming a la Spotify/Apple Music maximal unattraktiv für den wachsenden Direct/Indie/Long-Tail-Teil der Musikbranche, der zunehmend kulturprägend ist. (siehe die Zahlen oben, die nicht einmal Soundcloud einbeziehen)

Eine Chance nicht nur für Soundcloud sondern auch für TikTok, das weit mehr Verhandlungsmacht hat als Spotify et al …

Es wäre nicht das erste Mal, dass die kurzfristig orientierte Gier der Majorlabels ihnen langfristig teuer zu stehen kommt.

Last not least: Ich gehe davon aus, dass zügig ein cleverer Distributor wie bsp. Distrokid ein Self-Serve-Label-Konstrukt aufsetzen wird, in das die bestehenden Kund:innen freiwillig eintreten können, mit dem Ziel groß genug zu werden, um gemeinsam in die höhere Lizenzstufe wechseln zu können.

Und sei es nur, um damit öffentlichkeitswirksam Druck auszuüben. (Weil die Grenze natürlich arbiträr ist, und ein Self-Serve-Konstrukt genau das ist, was die Majors in ihrem hochpreisigen Kreis nicht sehen wollen.)


🤖 KI

GrimesAI

NME:

Grimes and CreateSafe have partnered up with Slip.stream to make 200+ GrimesAI songs available for content creators to use on any platform

Earlier this year, the singer unveiled Elf.Tech, her own AI voice-mimicking software that will allow users to record vocals in Grimes’ voice. The software is powered by CreateSafe’s Triniti API, and enables artists to distribute their creations to DSPs like Spotify, Apple, Tidal, and others. Over 1000 songs have been created since its launch.

Now, her partnership with Slip.stream – the largest royalty-free music resource – content creators and fans will be able to use GrimesAI songs in their video content and live streams on any platform.

Entscheidend finde ich hier zwei Dinge:

  • Die Zahlen. 1.000+ Songs etc. KI bedeutet mehr von allem, das ändert jede Rechnung, die man ansetzt und damit jede Art von Modell, die Sinn ergeben kann.
  • Die Kooperationen. Eine logische Folgerung aus dem ersten Punkt ist ein Partnerschaft-/Kooperationsgerichteter Ansatz.

Spannend.

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